Kunst ist ein schöpferischer Prozess. Ein Forscherteam aus Deutschland konnte zeigen, dass beim Malen von Gemälden nicht nur Kunst produziert wird, sondern auch das Gehirn seine Form verändert; und der Stress abnimmt.
Über die Frage was Kunst eigentlich ist, ließe sich ausführlich streiten. Jeder Mensch hat seinen eigenen Zugang zu Kunst, was dem einen als schön erscheint, lässt den nächsten schaudern. Gleichzeitig wird Kunst zwar gemeinhin als wichtige kulturelle Leistung betrachtet, sobald der Rotstift in der Schule angelegt wird, leidet oftmals aber zunächst der Kunstunterricht. Verglichen mit Mathematik, Englisch oder Physik messen viele Menschen Kunst eine geringere Bedeutung zu.
Neuronale Grundlage von Kunst
Ein Forscherteam um die Wissenschaftlerin Anne Bolwerk von der Universität Erlangen ging der Frage nach, welchen Einfluss das Ausüben von Kunst auf unser Gehirn hat. Konkret ging es um das Zeichnen von Bildern. Dabei drängt sich die Frage auf, welche Leistung überhaupt beim Zeichnen abverlangt wird. Zum einen, so die Annahme, richten wir den Blick nach Innen und beschäftigen uns mit uns selbst, wenn wir zeichnen. Diese Beschäftigung mit sich selbst könne wiederum den Umgang mit Stress positiv beeinflussen.
Wissen verknüpfen
Zum anderen müssen bei der Produktion von Kunst verschiedene Wissensinhalte miteinander verknüpft werden – eine Voraussetzung von Kreativität. Die Verknüpfung von Wissen ist wiederum notwendig um Erinnerungen abzurufen; je mehr Verknüpfungen zu einer Information, desto einfacher fällt es, sich an diese bestimmte Information zu erinnern. Daraus folgt, dass Zeichnen auch die Gedächtnisleistung verbessern könnte.
Zehnwöchiger Kunstkurs
Um den Effekt von Kunst zu messen, teilten die Wissenschaftler 28 Studienteilnehmer im Alter zwischen 62 und 70 Jahren in zwei Gruppen. Die eine Gruppe erhielt einen zehnwöchigen Kunstkurs, pro Woche zeichnete die Gruppe zwei Stunden. Jede Woche lag der Fokus des Kurses auf anderen Aspekten, vergleichbar mit Kunst-unterricht an Schulen. Die Studienteilnehmer wurden dazu ermutigt sich künstlerisch zu verwirklichen und eine individuelle künstlerische Ausdrucksform zu finden.
Um auszuschließen, dass das Beschäftigen mit Kunst an sich schon einen Effekt hat, wurde die Gruppe mit einer anderen Gruppe verglichen, die Unterricht in Kunstgeschichte erhielt. Diese Gruppe beschäftigte sich mit Kunst, malte aber selbst nicht. Vor und nach den zehnwöchigen Kursen wurden die Studienteilnehmer mittels Fragebogen nach ihrer Stressresistenz befragt; mittels fMRT wurden die Gehirnstrukturen erfasst.
Weniger Stress, mehr Verknüpfungen
Die Ergebnisse zeigen, dass die Stressresistenz – die Fähigkeit die negativen Effekte von Stress zu kontrollieren – in der Kunstgruppe (nicht aber in der Kunstgeschichtsgruppe) zugenommen hat. Aus früheren Studien ist bekannt, dass die Fokussierung auf das eigene Selbst die Stressresistenz steigern kann (ähnlich den Effekten der Meditation).
Zudem wurde analysiert, wie sich die Gehirnstruktur durch die Kunstproduktion verändert hat. Dabei zeigte das fMRT, dass Zeichnen zu einer Steigerung der neuronalen Verbindungen geführt hat. Da bei Erinnerungsleistungen jeglicher Art die Dichte der neuronalen Verbindungen eine wichtige Rolle spielt, besteht die Hoffnung, dass in Zukunft Kunst einen Beitrag leisten kann dem Nachlassen geistiger Leistungen im Alter entgegenzuwirken. Das Zusammenstreichen von Kunstunterricht geht, so scheint es, mit erheblichen Risiken einher.